Zur Ausstellung „Irre Kräfte“

vom 11. Juni bis 23. Juli 2010

 

Meine  Arbeiten nutzen den  „Bildungstrieb der Stoffe“. Diesen Begriff erfand der Chemiker F.F. Runge 1855 als Titel für sein  Musterbuch mit „selbstständig gewachsenen“ Bildern. Er hatte mit verschiedenen, farbigen Flüssigkeiten experimentiert, die er auf saugende Untergründe tröpfelte und beobachtete, dass seinen verwendeten Materialen eine Tendenz innewohnt, selbstständig  Strukturen und Formen  anzunehmen, die solchen der belebten Natur ähneln.

„Nach allem glaube ich nun, dass bei der Gestaltung dieser Bilder eine neue, bisher unbekannt gewesene Kraft tätig ist (,,) Sie wird nicht durch ein Äußeres erregt oder angefacht, sondern wohnt den Stoffen ursprünglich inne (...) Ich nenne diese Kraft „Bildungstrieb“ und betrachte sie als Vorbild der in den Pflanzen und Tieren tätigen Lebenskraft“ ( F.F. Runge) Dies Phänomen wird heute weit weniger poetisch als „Selbstorganisation der Materie“ begriffen.

Ich beschäftige mich mit diesem „Bildungstrieb der Stoffe“ in anderer Form und mit anderen Intentionen. Auf liegenden Bildträgern wie Gläsern, Folien oder Leinwänden setze ich eigendynamische Prozesse in Gang, an deren Ende ich biomorphe Strukturen und Gebilde erhalte. Diese erinnern an Zellen und Kleinstorganismen, oder ähneln unbekannten Zeichen und Schriften (wie z.B. denen der Rongo- Rongo- Schrift von den Osterinseln), als suche das Material nach einem Code, in dem es Botschaften über sich selbst verschlüsselt.

Mir geht es dabei nicht um das Erzielen beeindruckender Effekte, sondern um den Gestaltfindungsprozeß bereits auf der Ebene des Materials und die Unkontrollierbarkeit der Formen im Detail.
Die erhaltenen Gebilde, sprich: Bildelemente, sind eigentlich konkrete Gegenstände, flache Objekte aus verlaufener und  geronnener Farbe.  Abbildungen sind sie zunächst nur in dem  Sinne, als sie auf diese Weise die Kräfte ihrer Entstehung „darstellen“.

Ich mache diese Farbgebilde nun zum Gegenstand meiner Malerei, im doppelten Wortsinne. Entweder lasse ich sie als solche stehen, bearbeite sie weiter, oder nehme sie in einem weiteren Schritt als „Gegenstand“ im Sinne von Motiv  für  die Gemälde, auf denen ich sie in illusionistischer, „augentäuschender“  Malweise abbilde. Zum Teil auf denselben Bilduntergründen, auf denen ich sie zuvor erzeugt habe. Diese Bilder  enthalten dann Vorlage und Abbild  zugleich, allerdings beides aus denselben Stoffen bestehend: Farben und Lacken.  Dabei zeigen diese Bilder also erst einmal nichts, was reale Gegenstände außerhalb der Welt der Malerei repräsentiert. Für den Betrachter jedoch wechselt das Dargestellte unbestimmbar auf der Grenze zwischen Abstraktion und Figuration.

Diese Ausstellung zeigt aber auch neue Bilder, auf denen ich nun die beschriebenen Eigengewächse meiner verwendeten Materialien auf solche Weise weiter bearbeitet habe, dass sie erkennbar anknüpfen an groteske Ziermalereien und Buchillustrationen aus der Renaissance, die  mit ganz anderem  Wissen und unterschiedlichen Absichten das Thema „Gestaltwandel“  und „in Ordnung gebrachte“ Natur  veranschaulicht haben.

Das Bild „Frontispiz“ z.B. verwendet ein abstrakt- florales Ornament von Salomon Bernard in einer Ausgabe von Ovid`s Metamorphosen aus dem Jahre 1558 und verwandelt es in ein hybrides Gewimmel von Drachen und Dämonen, Köpfen und Leibern, Ranken und Schnörkeln. Hier ist nichts gewiss oder eindeutig, eins wird zum anderen, dieses zu jenem und könnte im nächsten Augenblick schon wieder das Gegenteil sein.

 

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